Niemand malt sich gern mögliche Unfallszenarien aus, schon gar nicht wenn es dabei um geliebte Menschen oder unsere vierbeinige Freunde geht. Um allerdings im seltenen Notfall reaktionsfähig bleiben zu können, braucht es schon ein wenig Vorbereitung.
In jedem Auto liegt ja zum Beispiel der Erste-Hilfe-Kasten und auch wenn wir meist gar nicht bewusst an ihn denken, fällt er uns ein sobald wir ihn brauchen. Vorbereitet!
Aber was, wenn dem Hund etwas passiert? Dass es in dem Fall an Vorbereitung fehlen kann, das hat meine Familie selbst erlebt. Meine Familie; das sind vier Menschen und ein Hund: meine Frau Brigitte und ich, unsere Töchter Kim und Anniki und unsere Australian Shepherd Hündin Josie.
Die Mädchen waren noch klein und Josie gerade mal 5 ½ Monate alt als wir alle zusammen an einem schönen Samstagmorgen am Rand von Stuttgart unterwegs waren. Brigitte und Kim gingen im Supermarkt einkaufen, Anniki und ich wollten mit Josie ein bisschen spazieren gehen. Wir steuerten eine nahe Wiese an, wo wir die verspielte Josie etwas schnüffeln lassen wollten.
Der Frühling löste gerade den Winter ab, die Sonne schien, die Frühblüher begannen zu sprießen und wir genossen die frische Luft. Gern hätten wir Josie von der Leine gelassen aber auch wenn wir uns für einen Moment wie im Grünen fühlten, waren wir doch immer noch in einer großen Stadt mit S-Bahnen, Autos, anderen Menschen und Hunden.
Aber Josie störte ihre Leine auch gar nicht. Sie erkundete voller Neugier die neue Umgebung. Bald schon suchte sie sich ein Plätzchen um sich zu lösen und kam für den Moment zur Ruhe.
Dann ging auf einmal alles sehr schnell. Direkt neben uns raste eine Straßenbahn mit lautem Zischen vorbei. Instinktiver schneller Blick zu meiner Tochter Anniki: Alles gut. Gleichzeitig spürte ich einen heftigen Ruck am Arm. Josie! Dazu quietschende Bremsen, ein dumpfer Knall und sofort färbte sich die Straße rot. In meinem Kopf stand die Welt still. Meine kleine Australian Shepherd Hündin lag blutend auf der Straße, sie schrie vor Schmerzen.
Und jetzt? Was tun?
Vor mir stand der unversehrte Fahrer des Autos und redete wütend auf mich ein. Ich musste mich irgendwie mit ihm auseinandersetzen aber mein einziger Gedanke war, Josie so schnell wie möglich in eine Klinik zu bringen. Neben der anfänglichen Hilflosigkeit stieg jetzt auch Wut in mir auf. Auf eine nicht ganz so nette Art wimmelte ich den wütenden Mann ab.
Jetzt wollte ich am liebsten meine Hündin schnappen und einfach losrennen. Aber wie konnte ich sie denn hoch nehmen? Ich wusste nicht, wo sie verletzt war, was ihr wehtat, sie war blutüberströmt. Ich wollte es nicht noch schlimmer machen aber tatenlos bleiben war auch keine Option. Ich packte zu und vor lauter Schmerzen biss sie mir in den Arm. Trotzdem hielt ich sie fest, schaffte es irgendwie, sie zu tragen und lief los in Richtung Auto.
Meine Tochter Anniki lief in den Supermarkt um meine Frau und ihre Schwester zu holen. Die Zeit, die ich am Auto auf die drei warten musste, erschien mir wie ein halbe Ewigkeit. Ich starb tausend Tode.
Wir rasten zur nächsten Klinik. Natürlich nur Notdienst. Ich klingelte wie verrückt und wurde mehrfach über die Gegensprechanlage hingehalten bis ich trotz rasendem Puls und noch nicht verflogener Wut der Dame verständlich machen konnte, dass es äußerst dringend war. Als wir endlich die Klinik betraten war ich genauso blutüberströmt wie die arme Josie. Die junge Ärztin wirkte komplett überfordert und entschied glücklicherweise recht schnell, den Oberarzt hinzuzuziehen. Ich fühlte mich nicht wirklich gut aufgehoben, aber immerhin kümmerten sie sich jetzt um Josie. Es war schlimm! Ihr rechter Hinterlauf war über die gesamte Länge aufgeschlitzt und der Oberschenkelknochen war mehrfach gebrochen. Sie musste sofort operiert werden und die Nacht in der Klinik verbringen.
Zum Glück verlief alles gut und ich durfte Josie am nächsten Tag abholen. Der Arzt drückte mir ohne Umschweife meine frisch operierte Hündin in die Arme. Und wieder war ich mit dem Transport überfordert. Josie hatte immer noch starke Schmerzen und ich wollte ihr nicht noch mehr wehtun. Ich versuchte alles richtig zu machen, wusste aber nicht, wie ich sie gleichzeitig sicher und möglichst schmerzfrei halten konnte.
Es hat viele, viele Wochen gedauert und viel Geduld, Ruhe und Training gebraucht, bis Josie wieder ganz gesund wurde. Sie hat es geschafft und ist heute immer noch glücklicher Teil unserer Familie.
Mich hat aber auch später die Hilflosigkeit im Not-Moment nicht mehr losgelassen. Ich will nie wieder unvorbereitet in eine solche Situation kommen und wünsche keinem Hundehalter, das selbst durchleben zu müssen. Darum habe ich das Konzept für eine Hunde-Rettungsdecke entwickelt und gemeinsam mit Experten umgesetzt.
Die Decke kann kein Unglück abwenden aber wir sind jetzt immerhin eines: gut vorbereitet!